Wenn man sich CYPEST so anschaut, es vielleicht sogar spielt, könnte man kaum glauben, dass das Thema Leveldesign wirklich eins wäre. Schließlich fliegt man nur hoch, das Level füllt nicht einmal die ganze Bildschirmbreite aus und ohnehin gibt es kaum Bauteile. Eckige und schräge Wände, ein paar Gegner, Items, Speedfelder und Dekoration. Was kann daran so schwer sein?
Tatsächlich nimmt der Levelbau, mit Ausnahme der Webengine, die meiste Zeit in Anspruch. Noch mehr als Grafiken, Sound und der andere Kram, den ich so mache. Wobei das auch nur die halbe Wahrheit ist. Der Bau eines Levels nimmt etwa ein Drittel der Zeit in Anspruch. Zwei Drittel bestehen aus Testen und Optimieren. Um zu verstehen, warum das so ist, muss man zunächst ein wenig in die Mechanik eintauchen.
In CYPEST spielt man einen Virus, der einen Server infiltriert. Der Virus kann nur Informationen einsammeln und den Gegnern ausweichen. Der Spieler kann sich also nur nach rechts und links bewegen, selbst hoch und runter geht nicht. Wenn er das kurze Level schafft, wird der Server zerstört und alle sind glücklich.
Worum es im Spiel aber eigentlich geht, sind die Punkte. CYPEST verfügt über umfangreiche Highscorelisten mit lokalen vergleichen. Das bedeutet, dass Glück keine Rolle spielen darf. Es darf nur das Können des Spielers darüber entscheiden, wo er in der Liste landet. Es ist ein sportlicher Vergleich von Fähigkeiten. Um dies möglichst fair zu gestalten, muss das Spiel einige Bedingungen erfüllen:
- Es darf keine Glücksfaktoren geben. Das heißt, dass alles immer gleich sein muss. Das Timing, die Bewegung der einzelnen Items, einfach alles, was das Gameplay beeinflusst und Auswirkungen auf Punkte sowie Schaffbarkeit des Levels haben kann. Tatsächlich gibt es in CYPEST keinen Zufall, abgesehen von optischen Dingen wie Partikeln oder den Hintergrundgrafiken.
- Die Fähigkeit des Spielers muss einen großen Einfluss auf die Punkte haben. Das heißt, dass man ein Level mit wenigen, mit vielen und mit sehr vielen Punkten schaffen kann und die Anzahl der Punkte rein vom Können des Spielers abhängt. Wie gut das funktionieren kann, sieht man derzeit an der Highscoreliste, beispielsweise an Level 1 der ersten Mission. Wer das Level schafft, kann "nur" 100 000 Punkte haben, vielleicht sogar weniger. Wer es bis zur Perfektion treibt, hat 220 000 Punkte oder mehr.
- Es muss immer wieder mehrere Wege geben, um schwierige Stellen zu schaffen. Wenn es einen einfachen und einen schwierigen Weg gibt, muss der schwierige Weg mit mehr Punkten belohnt werden.
- Es muss einen signifikanten Unterschied machen, ob man das Level schafft oder 200 Pixel vor dem Ziel stirbt. Aus diesem Grund gibt es vor jedem Ende noch extra Files zum einsammeln, außerdem 15 000 Bonuspunkte, wenn man durch die virtuelle Ziellinie saust und den Server wirklich zerstört.
- Jedes Level muss auch im Zweispielermodus gut funktionieren.
Diese Punkte beinhalten vor allem Elemente, die den sportlichen Aspekt abdecken. Dazu gesellen sich noch die Architektur (es sollte abwechslungsreich sein) und allgemeine Abwechslung der Level. Das heißt, dass man deutlich spüren muss, dass man sich in einem anderen Level befindet. So gibt es Zwischendurch Level, die nur aus einem riesigen Slowspeed-Feld bestehen, dann wieder Level, bei denen es viele verschiedene Geschwindigkeitsfelder gibt. Manche Level legen den Schwerpunkt auf einen oder zwei Gegnertypen und so weiter.

Zu guter Letzt darf man auch die Didaktik nicht außer acht lassen. Damit meine ich, dass neue Spielelemente sanft eingeführt werden, damit der Spieler begreift, was es damit auf sich hat. Erst nach und nach soll sich das Potential des neuen Elements voll entfalten. Beispielsweise taucht der Gegnertyp "Stampfer" erst in Level 4 der ersten Mission auf und da, am Anfang, nur am Rand. Man kann diesen Weg gehen und bekommt mehr Punkte, oder man fliegt daran vorbei und beobachtet, was da passiert. Weiter oben taucht dieses Gegner wieder auf, hier kommt man aber nicht mehr an ihm vorbei. Die Stelle ist aber, verglichen mit späteren Stellen, sehr einfach zu meistern.

Beim Levelbau kommen viele Aspekte zusammen und es ist nicht einfach, jederzeit allem gerecht zu werden. Beispielsweise versuche ich, wie beschrieben, ein neues Element sanft einzuführen, zu steigern und dann mit anderen Elementen zu kombinieren, um Schwierigkeit und Abwechslung zu erhöhen. Das geht aber nicht immer, weil die Level sonst auf Dauer zu einfach und eintönig werden. Hier kommt nämlich der Wiederspielwert zutage. Als Beispiel dient hier Level 2 der ersten Mission. Am Ende wird alles, was es bis dahin gab, kombiniert. Wenn man es zum ersten Mal spielt, bekommt man fast einen Infarkt, weil aus allen Richtungen Schüsse auf einen zufliegen. Was zunächst unfair erscheint, ist aber eine Täuschung. Die Stelle sieht schwierig aus, ist aber total einfach. Es gibt drei Wege, sie zu schaffen, ohne getroffen zu werden, man muss nur die anfängliche Panik überwinden. Mit dieser gewaltigen Kombination von Gegnern führte ich an dieser Stelle ein weiteres "Element" in CYPEST ein, nämlich die besagte Täuschung. An einigen Stellen wirkt das Spiel unschaffbar, dabei gibt es immer einen einfachen Trick, auf den man kommt, wenn man kurz überlegt. Entweder braucht man ein bestimmtes Timing (Rhythmus), muss sich auf was Bestimmtes fokussieren (etwa nur die Wände anschauen und nicht auf die Gegner achten) oder den richtigen Weg finden. Dieser wird oft durch die Dateien im Spiel markiert. Wenn man nicht weiß, welcher Weg der Beste ist, sollte man den Dateien folgen.
Das sind alles Dinge, auf die es zu achten gilt, aber das sind die Dinge, die eben nur ein Drittel der Zeit kosten.
Was mir beim Leveldesign das Genick bricht, ist die super simple Steuerung. Da der Spieler weder hoch noch runter kann, ist das Timing das A und O. Ich kann nicht sagen: "Ich platziere das mal und der Spieler wird dass dann schon irgendwie schaffen, weil er abbremsen und beschleunigen kann." Am deutlichsten wird das bei den Stampfern. Die Geschwindigkeit ist fest einprogrammiert. Je nachdem, wo der Stamper platziert wird und wie groß der Abstand zwischen den Wänden ist, verhält sich dieser Gegner anders. Im simpelsten Fall ist er genau in dem Moment, wenn der Spieler vorbei fliegt, komplett offen. Im schlimmsten Fall geschlossen. Dazwischen gibt es viele Varianten zwischen "sehr einfach" und "fast nicht schaffbar", die man testen muss. Je weiter oben ein solcher Stampfer im Level steht, umso schwieriger der Test. Man muss alles durchspielen. Da sich auf den Startpunkt eines Gegners auch die Speedfelder davor auswirken können, muss man es immer individuell testen und anpassen.
Zur Verdeutlichung: In CYPEST folgt dem Spieler eine Kamera. Die Gegner über der Kamera werden erst ab einem bestimmten Abstand zur Kamera aktiviert, vorher sind sie untätig. Der Abstand ist zwar immer gleich, aber je nach Speedfeld ist die Zeitspanne bis zur Ankunft des Spielers unterschiedlich.
Gleiches gilt für jeden anderen Gegner und für deren Kombinationen. 32 Pixel weiter oben und die Stelle ist zu einfach, 32 Pixel weiter runter und sie ist nicht mehr zu schaffen.
Wie oft ich ein Level teste und überarbeite, kann ich nur noch schätzen. Die leichteren, kürzeren Level brauchen ungefähr 20 bis 30 Tests. Bei einem Level wie beispielsweise Level 6 in der ersten Mission, gehen die Testläufe in die Hunderte. Es kann tatsächlich sein, dass man für ein Level, das man in einer Minute durchspielen kann (wenn man nicht stirbt) 12 bis 15 Stunden arbeitet. Im Durchschnitt rechne ich einen Arbeitstag pro Level (rund 10 bis 12 Stunden) bis alles passt.
Leider ist es auch eine Tatsache, dass ich ein Opfer meines eigenen Trainings bin. Ich bin mittlerweile zu gut, um realistisch einschätzen zu können, was für normale Spieler schaffbar ist. Mitten in der 1.2 Phase habe ich mir eine halbe Stunde Zeit genommen um Screenshots zu machen. Ich spielte alle bis dahin bestehenden 14 Level mindestens zweimal komplett durch. Ein Spieler, der CYPEST noch nie gespielt hat und damit beginnt, braucht dafür sicherlich fünf bis sieben Spielsstunden.
Deshalb suche ich auch immer wieder neue Tester und freue mich, wenn ich einem Spieler live zuschauen kann. Es ist interessant zu beobachten, wie andere Spieler so ein Level betrachten. Was sie wahrnehmen und was sie ignorieren. Leider hat man als kleiner Entwickler nur selten solche Gelegenheiten.
Zum Ende möchte ich noch kurz beschreiben, wie die Arbeitsschritte aussehen. Zunächst überlege ich mir, was die Besonderheit des Levels sein soll. Jedes Level sollte mindestens einen ganz speziellen, unvergesslichen Abschnitt haben oder, wenn es sich um das erste Level einer Mission handelt, einen pädagogischen Auftrag. Beispielsweise wird in Level 1 der zweiten Mission der Teleporter näher gebracht. Am Ende soll der Spieler wissen, das es sie gibt und wie sie funktionieren.
Dann beginne ich mit der Architektur. Ich setze von Start bis Ziel fast nur Wände ein. An besonderen Stellen, an denen ich die Architektur mit Gegnern verbinden will, etwa Stampfern, setze ich diese ein. Dann teste ich, bis ich ohne Probleme durchkomme und optimiere einige Stellen, die mir zu schwer oder zu leicht erscheinen. Dann platziere ich die Gegner und durchlaufe die Testphase erneut. Hier passe ich an manchen Stellen die Architektur wieder an, wenn etwas zu schwierig oder zu langweilig ist. Wenn ich an einer Stelle dreimal in Folge scheitere, MUSS sie geändert werden.
Zu guter Letzt kommen die Items. Dateien, Ordner, Multiplikatoren und Time-Emitter werden platziert, gefolgt von den Lichtern. Nun wird noch einmal alles gründlich getestet. Verschiedene Wege, unterschiedliche Herangehensweisen um alles einzusammeln. Wenn es keine Möglichkeit gibt, eine Datei einzusammeln, wird sie wieder entfernt. Dabei versuche ich noch auf ein möglichst symmetrisches Erscheinungsbild zu achten.
Interessant ist, dass sich das Spiel mit Lichtern ganz anders anfühlt als ohne. Mir ist oft aufgefallen, dass ohne Lichter manche Stellen total einfach, mit Lichtern aber unheimlich schwer sind. Das liegt vor allem an den zusätzlichen Reizen, die man verarbeiten muss. Oder um es mit den Worten eines Testers zu sagen: "CYPEST ist die totale Reizüberflutung." Lichter – und vor allem die dynamischen Schatten – machen die Level viel hübscher. Allerdings führt das auch zu einem geringeren Kontrast. Es liegt in der Natur der Sache, dass man dadurch vor allem die Objekte nicht gut wahrnehmen kann, die man nur im Augenwinkel sieht. Dadurch verengt sich das Sichtfeld enorm und man konzentriert sich nur noch auf das, was sich in einem geringen Radius um den Virus herum abspielt.
Diesen Effekt kennt man auch aus anderen Spielen, etwa Ego-Shooter. Vergleicht man beispielsweise das alte Quake 3 mit dem neuen, noch nicht fertigen Quake Champions, dann fällt einem auf, dass das Spielprinzip im Kern ziemlich identisch ist. Ein großer Unterschied in Quake Champions sind aber die graphischen Ablenkungen. Es gibt viel mehr Lichter, dunkle(re) Stellen, Partikel und andere Effekte. Beispielsweise lenken Explosionen und, je nach Waffe, die Schüsse viel mehr ab als im Original. Abgesehen davon, dass auch die GUI und andere Elemente wesentlich kleiner geworden sind, ist es schwieriger, die wesentlichen Dinge im Auge zu behalten. Wer noch ein zweites Beispiel braucht, kann gerne mal das erste Need for Speed mit der Version von 2015 vergleichen.
Nach der letzten Bearbeitungsphase warte ich meistens ein bis zwei Tage ab und teste erneut. Am besten erfolgt der Test, wenn ich müde bin. Wenn ich dann an einer Stelle immer wieder versage, muss sie überdacht werden. Sobald die Überarbeitung fertig ist, wird das Level für andere freigegeben. Dann sagen mir die Tester (hoffentlich), was alles falsch ist und es folgen weitere Korrekturen.
Da CYPEST ein Wettbewerb ist, kann man auch nicht einfach ein Level raus hauen und hoffen, dass es funktionieren. Der Supergau ist, wenn man eine neue Version bringt und eine bereits erreichte Punktzahl ist nicht mehr schaffbar. Ebenso ärgerlich ist es, wenn ein Level später wesentlich einfacher wird. Wer sich zuvor bemühte, um ein Level zu schaffen und möglichst viele Punkte zu erreichen, fühlt sich im Nachhinein um seine Leistung betrogen. Zwar hat das Spiel momentan noch nicht viele Spieler, wir versuchen aber auch diesem Aspekt von Anfang an gerecht zu werden.